Produktivität
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Produktivitätsfunktion

Sowohl in der Betriebswirtschaftslehre, als auch in der Volkswirtschaftslehre lässt sich die Produktivität messen und sogar berechnen. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze und mathematische Funkionen. Aber lässt sich das – abgesehen von der Mathematik, respektive ebendiese ignorierend – auch auf die persönliche Produktivität im Bereich der Wissensarbeit übertragen und falls ja, wie könnte dann eine Funktion dafür aussehen?

In seinem Aufsatz Knowledge Worker Productivity schrieb Peter F. Drucker 1999 über die Qualität als wesentliches Element der Produktivität in der Wissensarbeit. Anders als in der Taylor’schen Produktivitätslehre, die für die produzierende Industrie von Optimierung und Effizienz bestimmt ist, steht in der Wissensarbeit der Effektivitätsgedanke an oberster Stelle. Immer mit dem Ziel, die bestmögliche Qualität zu produzieren. Es bedeutet allerdings auch, dass wenn man die Qualität an die oberste Stelle setzt, man in der Regel auch etwas mehr Zeit benötigt, wie Cal Newport in seinem aktuellen Buch Slow Productivity deutlich macht. Vor diesem Hintergrund von Qualität und investierter Arbeitszeit stellt sich also die Frage, ob und wie sich die persönliche Produktivität in der Wissensarbeit in Anlehnung an jene der produzierenden Industrie in einer Produktivitätsfunktion beschreiben lässt.

Betriebs- & volkswirtschaftliche Produktivitätsfunktionen

Die Produktivität von Unternehmen wird grundsätzlich als Verhältnis von Output zu Input bzw. Ergebnis zu Aufwand gemessen und auch berechnet. Dieser Wert gibt an, wie effizient ein Unternehmen seine Ressourcen einsetzt, um eine bestimmte Menge an Produkten oder Dienstleistungen zu produzieren. In der Forschung und Analyse werden häufig auch mathematische Modelle verwendet. Die Bandbreite reicht dabei von einfachen, linearen Modellen bis zu komplexen, nicht linearen Modellen.

Eine der populärsten Produktivitätsfunktionen, mit der das Verhältnis zwischen Input und Output in einem Unternehmen oder einer Volkswirtschaft modelliert und analysiert werden kann, ist die Cobb-Douglas-Funktion:

$$Y = β * K^α * L^{1-α}$$

Sie geht davon aus, dass der Output Y vom Kapital K, der Arbeit L und dem Technologieparameter β abhängig ist, wobei sowohl das Kapital, als auch die Arbeit einer gewissen Elastizität α unterliegen. Diese Produktivitätselastizität gibt an, um wie viel Prozent die Gesamtproduktion steigt, wenn die eingesetzte Menge des Faktors um ein Prozent erhöht wird. Darauf aufbauend gibt es weitere Produktionsfunktionen, mit denen teilweise unter Zuhilfenahme einer Vielzahl von Substitutionseffekten die Produktion modelliert werden kann.

Produktivitätspuls

Die wesentliche Aufwandsgröße im Bereich der persönlichen Produktivität insbesondere in der Wissensarbeit scheint zunächst die investierte Arbeitszeit zu sein. Die lässt sich leicht messen und kann mit einfachen Mitteln ausgewertet werden. Eine solche Auswertungsmöglichkeit der investierten Arbeitszeit ist der sogenannte Produktivitätspuls. Das ist ein errechneter Wert aus den Daten der Zeiterfassungs-Software Rescue Time. Dabei wird ein Benchmark-Wert für die eigene Produktivität ermittelt, indem die mit der Software erfassten Zeiten für diverse Aktivitäten in ein Verhältnis zur gesamten, erfassten Zeit gebracht werden. Das bedeutet natürlich, wenn man mehr Zeiten beim Erfassen als produktive Aktivitäten markiert, dass der Produktivitätspuls steigt. Umgekehrt sinkt er, je mehr Zeiten als ablenkend – also nicht produktiv – eingestuft werden. Es handelt sich somit um eine einfache Methode, die mit einer Zahl anzeigt, wie man die investierte Zeit genutzt hat.

Die Berechnung des Produktivitätspulses funktioniert folgendermaßen:

$$\frac{(vd*0)+(d*1)+(n*2)+(vp*4)}{(total*4)}*100$$

Dabei steht vd für die sogenannte unproduktive Ablenkungszeit, d ist die persönliche Zeit, n die neutrale Zeit, p steht für die sonstigen Arbeitszeiten und vp ist jene Zeit, die für konzentrierte Arbeit aufgewendet wurde. Im Nenner wird die gesamte erfasste Zeit mit total erfasst. Wenn man also die gesamte Zeit als unproduktive Ablenkungszeit erfasst hat, ist der Produktivitätspuls natürlich gleich null. Wenn man hingegen nur die Hälfte der Zeit unproduktiv verbringt und die andere Hälfte als vp erfasst, also als Zeit, die für produktives, konzentriertes Arbeiten aufgewendet wurde, dann steigt der Produktivitätspuls auf 50. Den maximalen Produktivitätspuls von 100 kann man nur erreichen, wenn man die gesamte Zeit als produktive Arbeitszeit erfasst, was jedoch unrealistisch erscheint.

Aufwand vs. Qualität

Der Produktivitätspuls liefert zwar im Sinne des Effizienzgedankens eine ungefähre Quantifizierung darüber, wie man die eigene Arbeitszeit nutzt, berücksichtigt aber außer der aufgewendeten Arbeitszeit keine weiteren Faktoren, die die Produktivität ebenfalls beeinflussen können. Jedoch spielt der geleistete Aufwand in Form der investierten Arbeitszeit für die persönliche Produktivität keine oder bestenfalls eine nebensächliche Rolle. Denn viele Stunden fleißig zu arbeiten, bedeutet nicht immer auch tatsächlich produktiv zu sein. Produktivität ist nämlich kein Dauerzustand und somit auch nicht primär von der geleisteten Arbeitszeit abhängig. Das Parkinsonsche Gesetz verdeutlicht, dass die geleistete Arbeitszeit – also der Aufwand – kaum Auswirkungen auf die Qualität des Arbeitsergebnisses hat. Man braucht einfach nur länger, ohne ein qualitativ besseres Ergebnis zu erzielen.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass man innerhalb der geplanten Arbeitszeit entweder versucht, das Arbeitsergebnis zu perfektionieren, oder empfänglich auf Ablenkungen reagiert bzw. prokrastiniert. Es macht also wenig Sinn, den geleisteten Aufwand in Form der Arbeitszeit für die Quantifizierung der persönlichen Produktivität alleine zu betrachten, ohne nicht zumindest auch das Arbeitsergebnis in Form der erzielten oder zu erzielenden Qualität in Relation zu setzen. Schließlich kann man unter persönlicher Produktivität neben der effektiven Nutzung der eigenen, zur Verfügung stehenden Zeit, ebenso auch die Nutzung von Energie und Ressourcen verstehen, um damit ein Maximum an Qualität zu erzielen.

Persönliche Produktivitätsfunktion

Die persönliche Produktivität könnte also eine Funktion von Qualität, Energie, Ressourcen und eventuell der Zeit sein. Sämtliche Aspekte der Mathematik komplett ignorierend, ließe sich in Anlehnung an die Funktion von Cobb und Douglas das für die persönliche Produktivität in etwa so formulieren:

$$P = R * Q^t * E^{1-t}$$

Die persönliche Produktivität P ist von der zu erzielenden Qualität Q, der dafür einsetzbaren Energie E und dem Ressourcenparameter R abhängig, wobei sowohl die Qualität, als auch die Energie einer gewissen zeitlichen Elastizität t unterliegen. Diese zeitliche Elastizität gibt an, wie bzw. ob sich die persönliche Produktivität verändert, wenn die investierte Zeit um ein paar Prozent erhöht oder verringert wird, unter Berücksichtigung des oben erwähnten Parkinsonschen Gesetzes.

Der Ressourcenparameter R drückt dabei aus, in welcher Form technische Hilfsmittel, Werkzeuge und Methoden für das Produktivitätsmanagement eingesetzt werden und vor allem, wie gut diese auf die jeweiligen Vorlieben und individuellen Gewohnheiten abgestimmt sind, um das Kreativitäts- und Effektivitätspotential bestmöglich auszuschöpfen. Die zu erzielende Qualität Q ist von Produktivitätsfaktoren wie der individuellen Arbeitsweise, den Fähigkeiten und Kenntnissen, sowie von der jeweiligen Aufgabenstellung und den Zielen abhängig. Und schließlich berücksichtigt die investierte Energie E im Sinne von Leistungsfähigkeit den Produktivitätsrhythmus, also Tages- bzw. Fokuszeit, Motivation und Gesundheit.

Fazit

Es ist klar, dass diese Produktivitätsfunktion sämtliche mathematischen Grundlagen und Konzepte ignoriert und lediglich als erklärende Metapher zu verstehen ist. Ob sich damit tatsächlich etwas Sinnvolles berechnen lässt, ist und war nie das Ziel dieses Gedankenexperiments. Aber es wird deutlich, dass die persönliche Produktivität im Bereich der Wissensarbeit nicht über die investierte Arbeitszeit gemessen bzw. analysiert werden kann. Dieser geleistete Aufwand tritt sogar zugunsten anderer Faktoren, insbesondere der Qualität in den Hintergrund und hat mitunter sogar wenig bis gar keinen Einfluss auf das erzielte Ergebnis. Allerdings gilt es zu beachten, dass der Grat der Qualität zwischen Fortschritt auf der einen und Perfektion auf der anderen Seite schmal ist. Der eingangs erwähnte Cal Newport bringt das für die persönliche Produktivität im Bereich der Wissensarbeit abschließend schön auf den Punkt: Befreien Sie sich von der Notwendigkeit, ein Meisterwerk zu kreieren. Was zählt, ist Fortschritt. Nicht Perfektion.

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